Drogen im Straßenverkehr

Drogen im Straßenverkehr Foto: STUTTGART EXPRESS

Drogenkonsum im Straßenverkehr – wer erwischt wird, riskiert richtig Ärger. Zu Recht, denn der Fahrer gefährdet nicht nur sich und seine Beifahrer, sondern seine gesamte Umwelt.

Wer unter dem Einfluss von Betäubungs- und / oder Arzneimitteln im Straßenverkehr auffällig wurde, hat nicht nur im Bereich des Bußgeld- oder Strafrechts mit entsprechenden Folgen zu rechnen – er muss sich je nach Fallkonstellation auf einschneidende Maßnahmen seiner Fahrerlaubnisbehörde (der Führerscheinstelle) einrichten. Deren verwaltungsrechtliche Möglichkeiten sollen im Nachfolgenden aufgezeigt werden:

1. § 14 Fahrerlaubnisverordnung normiert, wann die Führerscheinstelle ein ärztliches Gutachten anordnen kann, ein ärztliches Gutachten anordnen muss oder gar vor der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis die MPU (Medizinisch-Psychologische Untersuchung) zu absolvieren ist. Das ärztliche Gutachten (ein weniger im vergleich zur MPU) kann von der Führerscheinstelle an einen Facharzt mit verkehrsmedizinischer Qualifikation, einen Arzt des Gesundheitsamtes oder der öffentlichen Verwaltung, einen Arbeitsmediziner / Betriebsmediziner, einem Facharzt für Rechtsmedizin oder einen Arzt bei einer Begutachtungsstelle für Fahreignung vergeben werden.
2. Hierbei sollte der zuständige Facharzt mit verkehrsmedizinischer Qualifikation jedoch nicht der den Betroffenen behandelnde Arzt sein.
3. In der Rechtssprechung ist die Verfassungsmäßigkeit von § 14 Fahrerlaubnisverordnung äußerst umstritten – es wird die Auffassung vertreten, es fehle teilweise die gesetzliche Ermächtigung und die Normverstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
4. Ein ärztliches Gutachten ist von der Führerscheinstelle anzuordnen, wenn Tatsachen die Annahme begründen, der Betroffene sei von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes abhängig oder die Einnahme von Betäubungsmitteln vorliegt oder eine missbräuchliche Einnahme von psychoaktiv wirkenden Arzneimitteln oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen gegeben ist.
5. Die Behörde kann im Übrigen ein ärztliches Gutachten anordnen, wenn ein Betroffener Betäubungsmittel im Sinne des Gesetzes widerrechtlich besitzt oder besessen hat.
6. Ein medizinisch-psychologisches Gutachten kann angeordnet werden, wenn die gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt und weitere Tatsachen Zweifel an der Fahreignung begründen.
7. Zwingend vorgeschrieben ist die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens jedoch, wenn die Fahrerlaubnis wegen Abhängigkeit von Betäubungsmitteln, Einnahme von Betäubungsmitteln oder missbräuchlicher Einnahme der anderen genannten Stoffe entzogen war oder geklärt werden muss, ob der Betroffene abhängig ist oder der Betroffene (jedoch ohne abhängig zu sein) weiterhin die oben genannten Mittel oder Stoffe einnimmt.
8. Diese gesetzliche Regelung wirkt nicht nur kompliziert – sie ist es auch. Greifen wir uns beispielhaft den Fall eines Nachweises der Einnahme von Betäubungsmitteln heraus. Eine solche kann beispielsweise durch ein Drogenscreening festgestellt werden. Ein solches ist jedoch nur gerechtfertigt, wenn ein hinreichender Verdacht für Betäubungsmitteleinnahme überhaupt vorliegt. Aus einem Vortest allein kann ein solcher Verdacht jedoch nicht hergeleitet werden. Im Jahre 2004 entschied zum Beispiel das Landgericht Bremen, dass ein Drug-Wipe-Test als Vortestverfahren selbst bei vermuteter Cannabiseinnahme unzuverlässig sei.
9. Ein weiteres Gebiet zahlreicher Unsicherheiten ist der Komplex „frühere Einnahme von Betäubungsmitteln“. Das OVG Bautzen hat beispielsweise festgestellt, dass eine MPU nicht angeordnet werden dürfe, wenn ein Fahrerlaubnisinhaber 1 ½ Jahre vor der Anordnung zwar Cannabis konsumiert habe, jedoch keinerlei Hinweis auf einen gegenwärtigen Konsum von Betäubungsmitteln vorliege.
10. Wie bereits ausgeführt, ist die Literatur jedoch der Auffassung, Teile des § 14 Fahrerlaubnisverordnung seien nicht von einer gesetzlichen Ermächtigung gedeckt.
11. Nach Nr. 3.12.1 Abs. 5 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrtzeugeignung kann eine solche nämlich nur dann verneint werden, wenn a) die Einnahme von Betäubungsmitteln missbräuchlich oder regelmäßig erfolgte und dadurch b) die körperlich-geistige (also psychische) Leistungsfähigkeit eines Kraftfahrers ständig unter das erforderliche Maß herabgesetzt wird oder c) durch den besonderen Wirkungsablauf jederzeit unvorhersehbar und plötzlich die Leistungsfähigkeit eines Kraftfahrers oder seine Fähigkeit zur verantwortlichen Entscheidung (zum Beispiel betreffend den Verzicht auf motorisierte Verkehrsteilnahme) vorübergehend beeinträchtigt ist. Vergegenwärtig man sich jedoch die in § 14 I Satz 1 Nr. 2 (Einnahme von Betäubungsmitteln führt zur Anordnung eines ärztlichen Gutachtens) genannte Regelung, hat der Verordnungsgeber die ihm erteilte gesetzliche Ermächtigung bei weitem überschritten. Er hat nämlich eine Tatsache (die Einnahme von Betäubungsmitteln) genügen lassen, ein Gutachten anzuordnen, welche für sich allein keinerlei Bedenken gegen eine Fahreignung begründet.
12. Bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis kann die Behörde ein ärztliches Gutachten anordnen, muss es aber nicht. Das Bundesverkehrsministerium hat begründet, dass die gelegentliche Einnahme von Cannabis in der Regel der Fahreignung nicht entgegenstehe. Eine zusätzliche medizinisch-psychologische Untersuchung sei jedoch erforderlich, wenn weitere Zweifel an der Fahreignung vorlägen. Dies sei zum Beispiel der Fall, wenn Cannabis beim Fahren konsumiert werde, Kontrollverluste oder Persönlichkeitsstörungen vorlägen oder Cannabis zusammen mit Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen konsumiert werde.
13. Das Bundesverfassungsgericht hat im Übrigen die Rechtssprechung des Bundesverwaltungs-gerichts gestützt, wonach der einmalige oder nur gelegentliche Cannabiskonsum ohne jeglichen Bezug zum Straßenverkehr nicht als hinreichendes Verdachtselement für eine mangelnde Fahreignung zu bewerten sei. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat den Bezug zum Straßenverkehr selbst dann verneint, wenn Cannabis im Fahrzeug gefunden wurde.
14. Zu beachten ist im Übrigen, dass nach der Rechtssprechung des Bundesverwaltungs- und des Bundesverfassungsgerichts die Führerscheinstelle im Falle einmaliger Einnahme von Cannabis nur dann ein Gutachten verlangen kann, wenn aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte berechtigte Zweifel an der Kraftfahreignung des Betroffenen bestehen. Liegt lediglich einmaliger Cannabiskonsum vor und ist das Ausmaß des sonstigen Konsums nicht bekannt, ist die Beibringung eines Gutachtens nur zulässig, wenn weitere tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Betroffene Cannabis gelegentlich oder regelmäßig einnimmt.
15. Auch was den reinen Besitz von Betäubungsmitteln und die Rechtsfolgen des § 14 Fahrerlaubnisverordnung angeht, bezweifelt die Literatur die Rechtmäßigkeit dieser Norm. Bereits das Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 2002 nämlich klargestellt, ein Gutachten könne mit Rücksicht auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nur dann angeordnet werden, wenn außer dem Besitz einer geringen Menge Haschisch (entschieden worden war in einem Fall von 5 g) weitere sogenannte „Verdachtsindikatoren für eine „unzureichende Kraftfahreignung“ vorlägen. Aus dem Besitz von Betäubungsmitteln kann nämlich nicht zwingend bereits auf die Einnahme von Betäubungsmitteln durch den Besitzer geschlossen werden. Ausnahmen sind nur bei bestimmten zeitlichen und regionalen Voraussetzungen zulässig.
16. Was die Einnahme sonstiger Betäubungsmittel angeht, liegen noch immer keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse dafür vor, dass diese die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit des Kraftfahrers ständig unter das erforderliche Maß herabsetzen oder seine Fähigkeit beeinträchtigen, Konsum derartiger Mittel von der Teilnahme am Straßenverkehr zu trennen. Deshalb soll die nachgewiesene Einnahme solcher Betäubungsmittel für sich allein nicht genügen, die Führerscheinstelle zur Aufklärungsmaßnahmen zu berechtigen. Vielmehr müssten zu dem Umstand, dass solche Betäubungsmittel während der Teilnahme am Straßenverkehr eingenommen wurden, weitere bedeutsame Umstände nach den Begutachtungsleitlinien hinzutreten.

Die verfassungskonforme Auslegung von § 14 an dieser Stelle darzustellen, würde – wie auf jeden anderen Einzelfall einzugehen – den Rahmen dieser Kolumne sprengen. Es darf an dieser Stelle aber ausdrücklich auf die Ausführungen meines Freundes und ehemaligen Seniorpartners, Herrn Rechtsanwalt Michael Hettenbach, unter www.jurathek.de hingewiesen werden. Die dort hinterlegten Texte sowie die Beiträge des Chat-Forums bieten einen umfassenden Überblick.

Rechtsanwalt Michael Winter, Kornwestheim

Freitag, Mai 10, 2024