Ausgedieselt: Fahrverbote werden kommen

Keine Chance für ältere Diesel Keine Chance für ältere Diesel Foto: STUTTGART EXPRESS

Nun ist es amtlich: Fahrverbote für Dieselfahrer werden kommen. Betroffen sind vermutlich alle Dieselfahrzeuge unterhalb von Euro 6

Es ist beschlossene Sache: Der Weg ist frei für Diesel-Fahrverbote. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschied, dass Kommunen eigenmächtig bestimmen dürfen,  ob sie ein Fahrverbot aussprechen oder nicht. Ein Urteil mit Signalwirkung für Deutschland, aber verheerend für Millionen Autofahrer mit Diesel-Pkws, denn nun sind Fahrverbote nur noch eine Frage der Zeit. Rechtsanwalt Markus Mingers (www.mingers-kreuzer.de), fasst im Folgenden alles Wissenswerte zum Urteil zusammen.

Revisionsklagen zurückgewiesen: Düsseldorf und Stuttgart im Fokus
Allen voran im Kampf gegen die Fahrverbote: Die Städte Düsseldorf und Stuttgart. Die von den Ländern NRW und Baden-Württemberg gestellten Revisionsklagen wurden nun zurückgewiesen. Nach Aussage der Leipziger Richter sei keine bundesweit einheitliche Regelung nötig, da die Kommunen selbstständig entscheiden könnten, ob ein Fahrverbot verhängt wird oder nicht.

Super-Gau für Autobauer
Auf das Urteil folgte die prompte Reaktion an der Börse: Die Aktien der Autobauer verloren prompt an Wert. Die Deutsche Umwelthilfe bezeichnet das Urteil als Erfolg, da nun lang geforderte Fahrverbote aufgrund der in vielen Städten erhöhten Stickoxidwerte endlich umgesetzt werden können. Mit dem Urteil ist es nun möglich, Druck auf die Autobauer auszuüben, „dreckige“ Diesel-Fahrzeuge verhältnismäßig nachzurüsten.

Städte vor einer unlösbaren Aufgabe
Sperrung einzelner Straßenzüge, neue Schilder und enorm viel organisatorischer Aufwand: Auf die Städte wird in Zukunft eine Aufgabe zukommen, die nicht im Vorbeigehen zu lösen ist, so auch die Meinung von Düsseldorfs Oberbürgermeister Geisel. Er sieht die praktische Umsetzung als kritisch, solange die blaue Plakette nicht eingeführt wird – man könne schließlich nicht auf den ersten Blick nachvollziehen, ob ein Auto zugelassen ist oder nicht. Auch müssten Einsatzfahrzeuge der Polizei, des Rettungsdienstes und der Feuerwehr als Ausnahme behandelt werden. Kein leichtes Unterfangen für die Städte.

Blaue Plakette ein Muss
Städte, Umweltverbände und Politiker fordern nun die Einführung der blauen Plakette, die sich auf die Stickoxidwerte beziehen soll. Nur „saubere“ Autos dürften diese erhalten. Die Einführung der Plakette gilt als der einzig sinnvolle Weg, das Fahrverbot durchzusetzen und zu kontrollieren. Laut Umweltverbänden soll sie Diesel-Fahrzeugen mit der Abgasnorm 6 und Benzinfahrzeugen ab Euro 3 ausgehändigt werden.

„Kalte Enteignung“ – Millionen Autofahrer sind betroffen
Leidtragende der Fahrverbote und der eventuellen Einführung der blauen Plakette sind und bleiben die Besitzer älterer Diesel-Fahrzeuge. Der Verkehrsexperte der FDP Luksic bezeichnet das Fahrverbot als „kalte Enteignung“, da viele Autofahrer durch das Fahrverbot zu einer Neuanschaffung gezwungen werden und ihre jetzigen Diesel-Pkw durch dieses Urteil dramatisch an Wert verlieren.

7 Fakten zum Fahrverbot
1.) Wen treffen die Fahrverbote?
Ganz klar: Die Diesel-Fahrer. Bestimmte Straßen werden zukünftig nur noch für Fahrzeuge zugelassen sein, die der neuen EU-Abgasnorm 6d entsprechen. Besitzer eines Benziners sind nicht betroffen.

2.) Welche Gebiete betroffen sind, bleibt offen
Es ist möglich, dass einzelne Straßen oder ganze Straßenabschnitte für bestimmte Fahrzeuge gesperrt werden. Von Seiten der Umweltschützer wird befürchtet, dass diese Sperrungen vor allem rund um die Messstellen herum vollzogen werden, um die Luft dort sauberer zu halten. Geholfen wäre den Menschen innerhalb der Städte mit hohen Stickoxidwerten dann jedoch nicht.

3.) Viele Großstädte im Fokus
Die schlechtesten Werte hatten im Jahr 2017 die Städte München, Stuttgart und Köln. Zu den 37 Städten, die im vergangenen Jahr die Grenzwerte sicher überschritten, gehören jedoch auch kleinere Städte wie Darmstadt, Tübingen und Reutlingen.

4.) Komplizierter rechtlicher Hintergrund
Das Bundesverwaltungsgericht Leipzig beschloss, dass die Kommunen eigenmächtig Entscheidungen über das Verhängen von Fahrverboten treffen dürfen. Laut Ankündigung der Bundesregierung soll über die Straßenverkehrsordnung eine Regel zur „Anordnung von streckenbezogenen Verkehrsverboten“ festgesetzt werden. Umweltverbände fordern hingegen die Einführung der blauen Plakette, um solche Fahrverbote praktisch besser umsetzen zu können. Dies lehnt die Bundesregierung bislang ab.

5.) Die Luft ist bereits sauberer geworden
Die Messwerte von 2017 sind bereits deutlich besser als die des Jahres 2016. Aber: Das reicht noch nicht. Schätzungsweise 70 Kommunen liegen noch weit über den Grenzwerten. Auch wenn neue Diesel-Fahrzeuge bereits sauberer sind und viele Städte aktiv gegen den Ausstoß von Stickoxiden wirken, ist die Luft noch nicht sauber genug.

6.) Reale Gefahren für die Gesundheit
Vorsichtige Rechnungen des Umweltbundesamtes sagen: Rund 6.000 Menschen sterben jährlich an Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, die durch erhöhte Stickoxidwerte bedingt sind. Auch Schlaganfälle, Diabetes und Asthma sind drei von vielen Krankheiten, die durch Stickoxide beeinflusst werden. Nach Rechnungen der EU sollen sogar 10.400 vorzeitige Todesfälle pro Jahr vorliegen.

7.) Nachrüstungen der Hardware sind wieder Thema
Bislang rüsteten die Autobauer die „dreckigen“ Diesel nur durch ein Softwareupdate nach und lehnten den Austausch von Bauteilen mit der Begründung der Ineffizienz ab. Dies könnte sich nun jedoch ändern. Im Koalitionsvertrag der Union und der SPD steht dazu, dass Hardware-Nachrüstungen technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar sein müssen, wobei letzteres wohl eher eine Frage des Ermessens ist.

Was tun bei einem Fahrverbot?
Eine juristische Möglichkeit, mit einem Fahrverbot umzugehen, könnte der Widerruf eines Autokredits sein. Aufgrund von Fehlern innerhalb der Widerrufsbelehrungen des Kreditvertrages sind viele Finanzierungsverträge auch heute noch anfechtbar und können widerrufen werden. Besonders für Diesel-Fahrer kann dies hinsichtlich des Fahrverbots eine Lösung sein.

Unser Fazit
Unter Autofahrern produziert das Urteil Verlierer, wohin man nur blickt. Auch die Autoindustrie, verantwortlich für jahrelange Abgasbetrügereien, kann über das Urteil nicht froh sein, denn jetzt steht die Frage von Hardwarenachrüstungen umso drängender im Raum. Wir drücken die Daumen, dass jetzt endlich der Zeitpunkt gekommen ist, dass der Gesetzgeber die Hersteller zur Nachrüstung auf eigene Kosten zwingt. Die Interessen der Autofahrer hat die Bundesregierung in den letzten Jahren lang genug ignoriert.

Als betroffener Autofahrer hat man nur drei Möglichkeiten, und keine ist besonders attraktiv. Teuer: Den alten Diesel mit Abgasreinigung nach Euro 5 oder schlechter zu einem niedrigen Preis verkaufen und neues Auto anschaffen. Den Schaden trägt leider der Autofahrer. Oder: Auf Öffentliche Verkehrsmittel umsteigen und komplett auf ein eigenes Auto verzichten - nicht sehr realistisch für Pendler, Selbständige oder Freiberufler, die Kunden besuchen müssen. Oder eine Mischlösung: Den Diesel behalten, soweit möglich an die Innenstadt heranfahren und dann per Park & Ride mit Bus oder Bahn in die Stadt fahren. Ganz ehrlich: Auch dies ist keine sehr attraktive Lösung, aber vermutlich die kostengünstigste Variante. Wie eine berufstätige Mutter zukünftig in der Lage sein soll, vor der Arbeit ihr Kind schnell noch in die Kita zu bringen, bleibt aber leider unklar - das geht schließlich nur mit einem eigenen Auto.

 

 

Freitag, Mai 17, 2024

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