Neue Teststrecke für autonomes Fahren in Hamburg

e-Golf auf Testfahrt in Hamburg e-Golf auf Testfahrt in Hamburg Foto: Volkswagen AG

VW intensiviert die Forschung an autonomen Fahrsystemen - Neue Teststrecke in Hamburg - Warum nicht in Stuttgart?

Der Volkswagen Konzern erprobt automatisierte Fahrzeuge im öffentlichen Stadtverkehr von Hamburg. Damit wird erstmals unter realen Bedingungen automatisiertes Fahren bis Level 4 in einer deutschen Großstadt von Volkswagen getestet. Ab sofort fährt eine e-Golf Flotte von fünf Fahrzeugen, bestückt mit Laserscannern, Kameras, Ultraschallsensoren und Radaren auf einem drei Kilometer langen Teilabschnitt der Teststrecke für automatisiertes und vernetztes Fahren (TAVF) in der Hansestadt.

Die Ergebnisse der Fahrten, die von der Konzernforschung unter Berücksichtigung aller Datenschutzbestimmungen kontinuierlich ausgewertet werden, sollen für die zahlreichen Forschungsprojekte des Konzerns zum autonomen Fahren, zur Erprobung kundenorientierter Serviceleistungen sowie zur Optimierung des Individualverkehrs genutzt werden.

DB2019AL00705 smallFoto: Volkswagen AGRealitätsnahe Teststrecke bis 2020
In der Hamburger City entsteht aktuell eine neun Kilometer lange Teststrecke für das automatisierte und vernetzte Fahren. Sie wird bis zum Jahr 2020 für die Infrastruktur-zu-Fahrzeug- (I2V) und Fahrzeug-zu-Infrastruktur-Kommunikation (V2I) aufgerüstet. Die Teststrecke ist charakterisiert durch realitätsnahe und somit anspruchsvolle Verkehrssituationen. Mit der Teststrecke schafft die Freie und Hansestadt Hamburg ein nutzerunabhängiges und technologieneutrales Anwendungslabor, auf der Fahrzeughersteller, Technologieunternehmen und Forschungseinrichtungen innovative Mobilitätsdienste kostenfrei im realen Verkehr auf öffentlichen Straßen erproben können. Interessierte Unternehmen und Forschungseinrichtungen können jederzeit unbürokratisch bewerben. Bei der Auswahl möglicher Teststreckenaktivitäten zählen Kriterien wie der Innovationsgehalt, der Nutzen für den Verkehrsfluss und die Verkehrssicherheit oder Umwelteffekte wie die Luftgüte.

Hamburgs Ziel: Modellregion für innovative Mobilität
Hamburg ist mit über 1,8 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt Deutschlands. Sie unterstützt die neusten und fortschrittlichsten Technologien um zur Modellregion für innovative Mobilität zu werden. Die digitalen Technologien machen in Zukunft die städtische Mobilität und Logistik in Hamburg sicherer, effizienter und umweltfreundlicher. Daher stehen Themen wie die Verkehrssicherheit und die Verkehrsflüsse, Umweltschutz oder der Ausbau von Innovationen im Zentrum der Hamburger Strategie für Intelligent Transport Systems (ITS). Diese Ziele werden in sechs Bereichen verfolgt: Daten & Information; Intelligente Verkehrssteuerung; Intelligente Infrastruktur; Intelligentes Parken, Mobilität als Service sowie automatisiertes & vernetztes Fahren. Vom 11. bis 15. Oktober 2021 findet unter dem Motto „Experience Future Mobility Now“ der ITS-Weltkongress in Hamburg statt.

Warum nicht in Stuttgart?
Diese Frage muss man sich zweifellos stellen. Eine Autostadt wie Stuttgart mit dem geballten Know-How von Daimler AG und Porsche, Universitäten und Forschungseinrichtungen sowie unzähligen renommierten Zulieferbetrieben sollte eigentlich ganz vorn bei der Entwicklung der Mobilitätstechniken von morgen mitspielen, nicht nur aus ökologischen Gründen, sondern durchaus auch aus wirtschaftlichem Eigeninteresse. Im Vergleich dazu sind vergleichbare Industrien im Raum Hamburg eher dünn gesäht - dennoch packt man dort ein Zukunftsthema an, das Stuttgart bestens zu Gesicht gestanden hätte und hierzulande offensichtlich verschlafen wird. Ist man hier erst gar nicht auf die Idee gekommen? Oder hält man die Schaffung von derlei Infrastruktur für entbehrlich? Wir meinen: Das kann nach hinten losgehen. Hoffentlich rächt sich Stuttgarts Passivität nicht.

So funktionieren die e-Golf
Die von der Volkswagen Konzernforschung aufgebauten e-Golf verfügen über elf Laser-Scanner, sieben Radare und 14 Kameras. Bis zu fünf Gigabyte beträgt der Datenaustausch pro Minute bei den regelmäßigen Testfahrten, die sich jeweils über mehrere Stunden erstrecken. Dafür steckt die Rechenleistung von rund 15 Laptops im Kofferraum des e-Golf. Die enorme Rechenleistung sowie präzise Sensortechnik sorgen dafür, dass Fußgänger, Fahrradfahrer, andere Autos, Kreuzungen, Vorfahrtsregeln, parkende Fahrzeuge und Fahrstreifenwechsel im fließenden Verkehr auf kürzesten Distanzen und in Millisekunden erfasst werden. Trotz der Vielfalt und Komplexität der Informationen muss die künstliche Intelligenz der Fahrzeug-Software alle relevanten Objekte wahrnehmen und reagieren, darf aber keine falschen Alarme auslösen. Dabei wird mit unterschiedlichen Ansätzen für künstliche Intelligenz gearbeitet: unter anderem mit Deep Learning, neuronalen Netzwerken und Mustererkennungsverfahren.

Aus Sicherheitsgründen sitzt bei den Testfahrten in Hamburg durchgehend ein besonders geschulter Testfahrer am Lenkrad, der alle Fahrfunktionen fortwährend überprüft und im Notfall eingreifen kann. Zudem werden alle Datenschutzbestimmungen umfassend berücksichtigt.

Noch immer ein Problem: Die rechtliche Situation
Um automatisiertes Fahren für öffentliche Straßen – bis hin zum autonomen Fahren auf Level 5 – funktionsfähig zu machen, arbeitet die Volkswagen Konzernforschung mit allen Marken und relevanten Bereichen des Konzerns zusammen. So fließen die Ergebnisse dieses Projektes sukzessive in weitere Forschungs- und Entwicklungsinitiativen ein. Ziel ist, Kunden in einigen Jahren den autonomen Transport von Gütern und Personen im öffentlichen Raum anbieten zu können. Dies wird nachhaltig zur Verbesserung des Verkehrsflusses und der Sicherheit im Straßenverkehr beitragen. Autonomes Fahren ohne Sicherheitsfahrer im öffentlichen Straßenverkehr erfordert allerdings auch eine Änderung des rechtlichen Rahmens und die Errichtung der notwendigen Infrastruktur.

Die Level des automatisierten Fahrens:
Level 1: Assistiertes Fahren. Beispiel: ACC (automatische Distanzregelung)
Level 2: Teilautomatisiertes Fahren. Beispiel: Travel Assist (kombinierte Distanzregelung und Spurführung)
Level 3: Hochautomatisiertes Fahren. Beispiel: Staupilot
Level 4: Vollautomatisiertes Fahren. Beispiel: Parkhauspilot
Level 5: Autonomes Fahren: Beispiel: Vollständig fahrerloser Transport

 

Sonntag, Mai 05, 2024